Dorfkirche Tanneberg

von Dr. Wolfgang Schwabenicky, Altmittweida

 

Im Gebiet der Talsperre Kriebstein gehört neben der Burg Kriebstein die durch ihren schlanken Dachreiter weithin sichtbare Kirche von Tanneberg zu den sehens­wertesten Kulturdenkmälern. Das Dorf Tanneberg liegt etwa 5 km nördlich der Großen Kreis­stadt Mittweida in einem Seitentälchen links der Zschopau. Das Ortsbild wird durch die mittelalterliche Kirche, die etwa in der Mitte des Dorfes liegt, bestimmt. Der Ort entstand als einreihiges Waldhufendorf im Zuge der bäuerlichen Koloni­sation in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Erstmals wird der Ort 1293 er­wähnt. In diesem Jahre hatte sich Gerhard von Liebschwitz, Inhaber der Herrschaft Ringethal, angemaßt, in das Wehr der Lauenhainer Mühle eine Fischreuse zu le­gen. Das Kloster Altzella, dem damals Lauenhain gehörte, hatte aber hier die Fi­schereigerechtigkeit.

 

Der Streit wurde durch Markgraf Friedrich zugunsten des Klosters geschlichtet, da dieses durch eine von Markgraf Heinrich ausgestellte Urkunde belegen konnte, daß dem Kloster die Fischerei in der Zschopau gehört vom Wasserlauf "dy Tannebergische Bach", an dem die Fluren des genannten Dorfes beginnen, bis dahin, wo "dy Lewinhaynische Bach" in die Zschopau fließt. 1350 hatte Ritter Albert Stolze, der offenbar in Schönfeld saß, die Hälfte von Tanneberg mit 2 Mark Silber an Einkünften zu Lehn. Die andere Hälfte war wohl unmittelbar dem Markgrafen zuständig, denn 1378 werden die landesherrlichen Einkünfte aus Tanneberg mit 28 Groschen zu Walpurgis, 50 ½ Groschen zu Mi­chaelis, sowie 4 Scheffel Roggen und ebensoviel Hafer, 7 Groschen Küchensa­chen, 28 Garben Getreide und 4 Scheffel Mahlkorn aus der Mühle verzeichnet.

 

Mit der Entstehung der Herrschaft Kriebstein im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts ist Tanneberg zu dieser Herrschaft gekommen. In der Leibgedingeverschreibung der Elisabeth von Beerwalde wird das Dorf mit einer Einnahme von 7 Schock 15 Gro­schen aufgeführt, was dem gesamten Ort entsprochen haben dürfte. Eine Kirche hat Tanneberg wohl nicht von Anfang an gehabt. Dies ist aus zwei Umständen zu schließen. Es gibt kein Pfarrlehen und die Kirche befindet sich in der Dorfmitte zwischen der Gehöftreihe und dem Dorfbach, d. h. auf ehemaligen Land der Altgemeinde. Wann die Gründung der Kirche erfolgt ist, läßt sich mit Gewissheit nicht sagen.

 

Am romanischen Baukörper der Kirche gibt es keine stili­stischen Merkmale, die eine nähere zeitliche Einordnung zulassen, mit Ausnahme des romanischen Türblattes mit schmiedeeisernen Beschlägen. Dieses ist am ehesten dem 13. Jahrhundert zuzuordnen. Aus der weiteren Umgebung sind Gründungen von Dorfkirchen aus dieser Zeit bekannt. Die Dörfer wurden dann aus ihrem ursprünglichen Pfarrsprengel herausgelöst. Von der Kirche in Göhren ist sogar die Stiftungsurkunde von 1288 noch vorhanden. Tanneberg war sicher im 12. Jahrhundert nach Beerwalde eingepfarrt. Die neu gegründete Kirche wurde Filialkir­che von Beerwalde, woraus sich auch erklärt, daß in Tanneberg kein Pfarrlehn vorhanden ist.

 

Die Tanneberger Kirche ist eine romanische Saalkirche mit eingezogenem Chor, die im Laufe der Zeit verschiedene Veränderungen erfahren hat. Die Innenmaße des Saales sind 7,7 x 10 m und die des Chores 4,9 x 8,2 m. Der Saal diente der Gemeinde als Raum für die Teilnahme am Gottesdienst, während der Chor dem Geistlichen vorbehalten war und von der Gemeinde nicht betreten. werden durfte. Der Chor war anfänglich nur halb so lang wie heute. Die ursprüngliche Ostmauer des Chores ist bei den Renovierungsarbeiten im Jahre 1964 aufgefunden worden. Ob der Chor ehemals eine Apsis besaß oder ob er gera­de geschlossen war, läßt sich nicht sagen.

 

Am älteren Teil des Chores hat sich im Norden ein kleines romanisches Fenster erhalten, das ebenfalls 1964 wieder frei­gelegt worden ist. Chor und Saal werden durch einen halbrunden aus Werksteinen gefertigten Triumphbogen getrennt. Die ursprünglich am Bogen vorhanden gewe­senen Kämpfer sind später abgeschlagen worden. Die Werksteine an der Tanne­berger Kirche bestehen aus Rochlitzer Porphyrtuff, das übrige Mauerwerk wurde aus dem am Orte anstehenden Granulit errichtet. Im Norden ist an den Chor eine Sakristei angebaut. An der Südseite befindet sich eine Eingangshalle.

 

Nach dem Bau der Chorerweiterung wurde an deren Nord­seite die Sakristei errichtet. Die Sakristei diente dem Aufent­halt des Geistlichen und als Aufbewahrungsort für Bücher, Meßgewänder und heilige Gefäße. In der Sakristei der Tan­neberger Kirche ist in der Westwand ein zweiräumiger Tre­sor mit einer schmiedeeisernen Tür eingebaut. An der Tür vom Chor zur Sakristei haben sich noch die alten Beschläge erhalten. Im 15. Jh. wurde vor das romanische Portal eine Vorhalle gebaut. Bemerkenswert an ihr ist am Eingang das aus Rochlitzer Porphyrtuff gefertigte gotische Gewände. Aus der Zeit der Gotik stammt auch das Hauptausstat­tungsstück der Kirche, der Altar. Der eigentliche Altar wird aus dem gemauerten Stipes und der aus Porphyrtuff beste­henden Mensa (Altarplatte) gebildet. Auf der mittelalterli­chen Mensa sind Kreuze eingehauen; an diesen Stellen ist zur Altarweihe Weihrauch abgebrannt worden.

 

Über der Mensa erhebt sich das Retabel als Tryptichon (Mittelschrein und Seitenflügel). Das Tanneberger Altar­werk ist zweimal wandelbar, was für eine Dorfkirche sehr selten ist. Entsprechend der liturgischen Notwendigkeit im Kirchenjahr wurde die Ansicht des Altars gewandelt. Das Retabel war nur an bestimmten Festtagen vollständig geöffnet. Die Bilder bedeuteten für die Menschen im Spätmittelalter die reale Anwesenheit der Heiligen in der Kirche, mit denen man deshalb Zwiesprache halten konnte. Die Heiligen fungierten als Mittler zwischen Mensch und Gott. Da in einer Dorfkirche oftmals nur ein Altar vorhanden war, wurden in dessen Retabel eine ganze Reihe verschiedener Heiliger, die man zu unterschiedlichen Zwecken und für verschiede­ne Belange anrufen konnte, untergebracht.

 

Die Festtagsseite des Tanne­berger Altars zeigt im Mittelschrein Maria mit dem Christuskind. Links von Maria steht Nikolaus (mit Buch und drei goldenen Kugeln), rechts Margareta (mit Kreuz und zu Füßen der gebändigte Drache). Im linken Flügel erblicken wir den Heiligen Martin, seinen Mantel zerteilend, im rechten den drachentötenden St. Georg. Ist der Altar geschlossen, zeigt sich auf den Mitteltafeln die Verkündigung an Maria. Der Erzengel Gabriel verkündet ihr die Geburt eines Sohnes, den sie als Jungfrau vom Heiligen Geist empfangen werde und den sie Jesus nennen solle. Gabriel hält ein Spruchband mit den Begrüßungsworten AVE (Maria) GRACIA PLEN(a). Am Himmel über einer Hochgebirgslandschaft thront Gottvater; der Heilige Geist er­scheint als Taube. Auf den Flügeln sind acht Heilige dargestellt: links oben Nor­bert (mit Kelch, zu Füßen ein Ketzer) und Ägidius (mit Hirschkuh), links unten Barbara (mit Turm) und Katherina (mit Schwert), rechts oben Maria Magdalena (mit Salbgefäß) und Anna Selbdritt , rechts unten Dorothea (mit Kind und Blumen­körbchen) und Ursula (mit Pfeilen).

 

Die zweite Wandlung zeigt auf den bewegli­chen Flügeln die sehr desolaten Bilder Christus als Schmerzensmann (rechts) und gegenüber Maria als Schmerzensmutter.

 

Auf der Predella steht Christus inmitten der zwölf Apostel. Der Altar wurde um 1510 geschaffen. Die Schnitzereien wur­den offenbar in Chemnitz gefertigt. Der Maler war wahrscheinlich ebenfalls dort ansässig. Da er namentlich nicht bekannt ist, wird er von der Kunstgeschichtsfor­schung als Meister des Altars von Tanneberg bezeichnet. Von der gotischen Ausstattung der Kirche haben sich ferner eine Büste der Ma­donna mit Christuskind vom Anfang des 16. Jahrhunderts (aufgestellt in der Sakra­mentsnische) und einige Assistenzfiguren eines zweiten Altars erhalten.

 

Vermut­lich aus dem Kloster Altzella stammen zwei je in einem Schrein stehende Figuren. Es handelt sich einmal um eine Schöne Madonna aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts, die zu den besten Werken des Weichen Stils in Sachsen gehört. Die zweite Skulptur ist ein Bischof, der etwa zwischen 1530 und 1540 entstanden ist.

 

Im 17./18. Jahrhundert nahm die Bevölkerung in Tanneberg wie auch in den umliegenden Dörfern außerordentlich zu. 1548 gab es in Tanneberg nur 18 Bau­ern; bis 1764 sind noch 10 Häusler dazugekommen, was einen Zuwachs von etwa 50 Personen bedeutete. Diese Bevölkerungszunahme erforderte in der Kirche den Einbau von Emporen. Als erstes wurde vermutlich im 17. Jahrhundert die Empore an der Nordseite errichtet. Aus der Zeit des Barock stammt das Gestühl mit seinen mit Holzriegeln ausgestatteten Türchen. Im Jahre 1649 wurde von den Gebrüdern Wolf Balthasar und Melchior Ehren­fried von Kreutz, die in diesem Jahr die Grundherrschaft Kriebstein erworben hatten, die Kanzel gestiftet.

 

Die farbig gefaßte Kanzel ist ein typisches Werk des Ma­nierismus. Am Korb befinden sich Bilder mit den Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas sowie Christus als Erlöser der Welt (Salvator). Die Kanzel ist über eine die Wand südlich des Triumphbogens durchbrechende Treppe zugänglich. An den Füllungen der Tür zur Treppe befinden sich über Wappen die Buchstaben B. v. K. und E. v. K., die auf die Stifter der Kanzel hinweisen. Im Jahre 1672 machten sich auch nochmals Reparaturen am Turm notwendig. Dabei wurde eine weitere Stützenkonstruktion (diesmal über der Saalkirche) ein­gebaut. Die religiöse Bewegung der Aufklärung und des Klassizismus bewirkte seit dem Ende des 18. Jahrhunderts das Streben nach einer hellen und lichten Atmosphäre in den Kirchenräumen, was zum einen dazu führte, daß zahlreiche mittelalterliche Kirchen durch Neubauten ersetzt wurden, zum anderen wurden alte Kirchen dem neuen Raumauffassungen angepaßt. Auch in Tanneberg gab es noch einmal größe­re Baumaßnahmen.

 

Im Jahre 1834 wurden die hölzernen Balkendecken verkleidet und die großen Fenster eingebrochen. Aus dieser Zeit stammt auch die Südempore mit ihrem Zugang aus der Vorhalle.

 

Die auf der Westempore stehende kleine Orgel mit einem Manual (9 Register) wurde 1838 als Erstlingswerk von dem Weißenfelser Orgelbauer Friedrich Ladegast geschaffen. Er war damals noch Geselle bei seinem Bruder Christlieb in Ge­ringswalde. Das klassizistische Orgelprospekt entspricht ganz dem Stil der Zeit. 1882 ist die Orgel von Friedrich Ladegast umgebaut und erweitert worden. 1963/1964 wurde die Kirche renoviert. Dabei wurden verschiedene häßliche Zutaten des 19. und des 20. Jahrhunderts entfernt. Beispielsweise wurden die Ein­bauten im Chor beseitigt und die alte Farbfassung der Emporen wiederhergestellt. Die Tanneberger Kirche gehört damit wieder zu den sehenswertesten Dorfkirchen des Erzgebirgsvorlandes.

 

 

 

Die Geschichte der Kirche zu Tanneberg
Die Kirche in Tanneberg Denkmale im Land[...]
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