Orgelbauer aus unserer Kirchgemeinde

Gleich zwei Orgelmacher gab es einst im Gebiet der heutigen Kirchgemeinde Waldheim-Geringswalde. Johann David Gerstenberg und Friedrich Ladegast bauten ihre Orgel in der Geringswalder Werkstatt.

Johann David Gerstenberger, auch Johann David Gerstenberg (* 2. Mai 1716 in Hilmsdorf bei Geringswalde; † 24. Dezember 1796 in Geringswalde) war ein Orgelbauer.

Gerstenberger wurde als Sohn des Hanss Gerstenberger und seiner Frau Susanna am 2. Mai 1716 in Hilmsdorf bei Geringswalde geboren und am Tag darauf getauft. Über sein Leben ist wenig bekannt. Er baute neben Orgeln auch Clavichorde. Ein von ihm gefertigtes Instrument aus dem Jahr 1760 ist im Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig erhalten. Es enthält die Inschrift: Johann David Gerstenberg, Orgelbauer zu Geringswalda, hat uns gemacht. 1760.

Pedalclavichord von Johann David Gerstenberg,
Geringswalde um 1760;

Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig

Derartige Pedalclavichorde waren die klassischen Übungsinstrumente vor allem nord- und mitteldeutscher Organisten. Faktisch handelt es sich hier um drei Einzelinstrumente (eines davon mit besonders langen Saiten und Pedalklaviatur), die in einem Gestell so übereinander plaziert wurden, daß sie der Tastatur einer zweimanualigen Orgel mit Pedal möglichst genau entsprachen.

 

Das Pedalclavichord stellt eigentlich eine Kombination aus mehreren Clavichorden dar, die in einem besonderen Gestell zusammengefügt werden: Zwei Clavichorde mit Manualen übereinander, dazu ein großdimensioniertes Clavichord mit Pedalklaviatur ergeben ein Instrument, das schon äußerlich seine Hauptbestimmung verrät: Es ist ein Übungsinstrument für Organisten, aus einer Zeit; als ohne elektrische Heizungen oder elektrische Orgelgebläse ein Üben in der Kirche kaum möglich war. Ein Organist benötigte noch (mindestens) einen Kalkanten zum Ziehen oder Treten der Bälge, um musizieren zu können, der bezahlt werden musste; deshalb übte man nicht in der Kirche, sondern zuhause, wo es zudem sicherlich etwas wärmer gewesen sein dürfte. Aber dies erforderte ein Instrument, das zumindest annähernd erlaubte, sowohl das Spiel auf mehreren Manualen als auch auf dem Pedal zu trainieren.


In Deutschland und Nordeuropa bildete ein Pedalclavichord das häufigste Übungsinstrument dieser Art. In den romanischen Ländern ist der Gebrauch von Cembali, die zumindest in Frankreich gelegentlich mit einer weiteren Pedalklaviatur gebaut wurden, verbürgt. Doch da in diesen Ländern das Pedalspiel ohnehin keine große Rolle spielte (die Pedalklaviaturen hatten oft nur einen geringen Tonumfang), konnte man sich als Organist durchaus ohne einen derart aufwendigen Zusatz auskommen.

Nach 1800, als sowohl Clavichord als auch Cembalo verschwanden, stellten einige Klavierbauer (wie etwa Johann Schmidt in Salzburg) auch das eine oder andere Pedalpianoforte her, auch diese vorwiegend als Übungsinstrumente für Organisten. Hier ergab sich jedoch das Problem, ein zweites Manual zur Verfügung zu stellen – was nie zufriedenstellend gelang. Aus diesem Grund sind derartige Spezialinstrumente im Verlauf des 19. Jahrhunderts kaum noch gebaut worden.

Friedrich Ladegast (* 30. August 1818 in Hochhermsdorf; † 30. Juni 1905 in Weißenfels) war ein bedeutender deutscher Orgelbauer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

 

Friedrich Ladegast wurde am 30. August 1818 als achtes Kind des Häuserbesitzers, Tischlers und Röhrenmeisters Johann Christlieb Ladegast und seiner Frau Eva Rosina, geb. Dathin, in Hochhermsdorf (heute Hermsdorf) in der Nähe der Stadt Geringswalde in Sachsen geboren. Die Ladegasts waren keine traditionelle Musikerfamilie, doch kamen die Kinder durch das Musizieren im Familienkreis mit Musik in Berührung. Unterweisungen im Klavierspiel, die später durch Unterricht an der Orgel ergänzt wurden, weihten den jungen Friedrich in die Grundlagen dieser Kunst ein. In seinen späteren Jahren äußerte er gegenüber seinem Freund, dem Chemnitzer Organisten William Hepworth: „Ich bin, im Grunde genommen, ebenso musikalisch veranlagt wie du, nur daß Zeit und Verhältnisse mir nicht gestatten, meine diesbezüglichen Fähigkeiten auszubilden.“ Was Friedrich letztendlich bewegte, Orgelbauer zu werden, lässt sich heute nur vermuten. Neben der Tatsache, dass auch sein älterer Bruder Christlieb diesen Beruf wählte, wird wohl das Vorbild des berühmten Landsmanns Gottfried Silbermann, der 150 Jahre zuvor im etwa 50 km entfernten Freiberg wirkte, einen gewissen Einfluss auf die Brüder ausgeübt haben. Zweifelsohne kannten die Ladegasts bereits seit ihrer Kindheit dessen in unmittelbarer Nähe ihres Heimatdorfes befindlichen Werke in Rochlitz, Ringethal und Schweikershain.

 

Seine erste Ausbildung als Orgelbauer erhielt Friedrich in der Geringswalder Werkstatt seines Bruders. Sein Gesellenstück steht in der Ev.-luth. Kirche zu Tanneberg bei Mittweida. In den anschließenden Jahren seiner Wanderschaft arbeitete er in verschiedenen Orgelbauwerkstätten Mitteldeutschlands (Kreutzbach in Borna, Mende in Leipzig und Zuberbier in Dessau). Spätere Studienreisen führten ihn u. a. auch ins Elsass, nach Süddeutschland und nach Frankreich. Im elsässischen Straßburg studierte Ladegast nach eigener Auskunft die frühen Werke Gottfried Silbermanns, jedoch nicht, wie in der Vergangenheit irrtümlich angenommen wurde, als Mitarbeiter der Werkstatt Martin Wetzels direkt im Anschluss an seine Gesellenzeit in den mitteldeutschen Orgelbauwerkstätten.

Auch die Annahme, dass Friedrich Ladegast bei einer seiner Reisen den berühmten französischen Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll persönlich kennen gelernt hat und sogar einige Zeit bei diesem tätig war, erweist sich nach heutiger Erkenntnis als nicht zutreffend. Beide Orgelbauer brachten einander allerdings eine hohe Wertschätzung entgegen. So informierte sich Friedrich Ladegast vor dem Bau der großen Orgel für die Nikolaikirche zu Leipzig (1862) auf einer Studienreise über die technischen Anlagen in den großen Orgeln Cavaillé-Colls. Albert Schweitzer schreibt:

„Der grosse französische Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll hat ihn [F. Ladegast] als den besten unter den zeitgenössischen Orgelbauern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschätzt. Ich habe Cavaillé-Coll noch gekannt und kann bestätigen, daß er von Ladegast mit Bewunderung sprach.“

1846 beantragte Friedrich Ladegast in der Saalestadt Weißenfels die Niederlassung als Orgelbauer und Instrumentenmacher, die Anfang 1847 genehmigt wurde. Seiner kurz darauf im Weißenfelser Kreisblatt erschienenen Zeitungsanzeige ist folgendes zu entnehmen: „Daß ich mich als Orgelbauer und Instrumentmacher hier niedergelassen habe, zeige ich ergebenst an. Ich bitte um geneigtes Vertrauen, dessen ich mich stets durch strengste Reellität würdig machen werde. Weißenfels, den 5. Februar 1847“.

Eine entscheidende Rolle für den Entschluss, sich ausgerechnet in Weißenfels niederzulassen, werden nicht nur die Protektion des Weißenfelser königlichen Musikdirektors Ernst J. Hentschel, sondern auch wirtschaftliche Faktoren gespielt haben. Weißenfels, unweit der großen Städte Leipzig und Halle gelegen, gehörte zu jenen mitteldeutschen Städten, die sich im Zuge der Industrialisierung rasant entwickelten. Die Eröffnung einer Eisenbahnstrecke nach Erfurt am 6. Juni 1846 brachte erhebliche Standortvorteile. Auch der Fluss Saale war zu jener Zeit noch schiffbar.

 

Wie man seinem Antrag auf Niederlassungserlaubnis entnimmt, kannte Ladegast bereits die Gegend, und zwar durch seinen Aufenthalt in Lützen bei der Reparatur der Kreutzbach-Orgel (1839) der dortigen Stadtkirche. Es gab im Umfeld keine weitere Orgelbauwerkstätte und somit wenig Konkurrenz. Darüber hinaus besaß die Stadt ein Lehrerseminar, das sich zu einem Zentrum der Lehrerausbildung in der preußischen Provinz entwickelt hatte. Seit 1822 stand das Institut unter der Leitung des berühmten Pädagogen Wilhelm Harnisch und wurde u. a. durch solche Persönlichkeiten wie Ernst J. Hentschel und Moritz Hill geprägt. Mit Hentschel, der auch Taufpate seiner Kinder war, verband Ladegast jahrelang eine freundschaftliche Beziehung.

 

Obwohl die wirtschaftlichen Aspekte vielversprechend waren, blieb die Auftragslage in den ersten Jahren schlecht. 1849 bekam Ladegast durch die Fürsprache von David Hermann Engel einen Auftrag für eine Orgel in der St.-Georg-Kirche zu Geusa bei Merseburg, der die weitere Zukunft des jungen Orgelbauers grundlegend ändern sollte. Ladegast setzte alles auf eine Karte – sein Können, eigene Mittel, eigene Visionen – und gewann. Die ursprünglich als einmanualiges Werk geplante Orgel wurde über den Vertrag hinaus – auf Ladegasts eigene Kosten – um ein zweites Manual erweitert. Bei der Abnahme der Orgel geriet Engel in „höchstes Entzücken“ vom Klang, von der Auswahl des Materials, von der Qualität der Ausführung – all jener Aspekte, die Ladegast schon zu Lebzeiten Ruhm brachten und seine Orgeln noch heute auszeichnen. Im Jahre 1855 bekam Ladegast dann auch noch einen weiteren Auftrag für eine Orgel in der St.-Thomas-Kirche im Geusaer Ortsteil Blösien.

Neuaufträge und damit verbundener Erfolg ließen nun nicht mehr lange auf sich warten. 1850 erwarb Ladegast ein doppelstöckiges Haus in der Naumburger Straße, wo er seine Werkstatt einrichtete und in der im gleichen Jahr fünf neue Werke entstanden. Mit Ausnahme der Orgel in der Dorfkirche zu Albersroda (II/15) handelte es sich um einmanualige Werke mit 5 bis 10 Registern.

Am 3. November 1850 im Alter von 32 Jahren heiratete Friedrich Ladegast die 24-jährige Johanne Rosette Bertha Lange (* 7. Mai 1826; † 6. Januar 1892), Tochter des Weißenfelser Stadtorganisten. Die Ehe wurde mit zwölf Kindern gesegnet. Sieben der Kinder starben allerdings schon frühzeitig. Ende 1851 bekam Ladegast einen Auftrag für den Neubau einer Orgel für die Stadtkirche St. Peter im 15 km entfernten Städtchen Hohenmölsen. Diese Orgel ist heute mit ihren 24 klingenden Registern sein größtes zweimanualiges Instrument, das – mit Ausnahme der Prospektpfeifen und der Windanlage – original erhalten blieb. Sie nimmt in seinem Schaffen eine besondere Stellung ein, nicht nur, weil sie der erste größere Auftrag war, sondern weil sie aufgrund ihrer klanglichen und bautechnischen Solidität eine Grundlage für die unmittelbar danach folgenden größeren Aufträge in Merseburg, Schulpforta, Leipzig usw. bildete.

 

Als 1853 die Merseburger Domorgel erneut repariert werden musste, kam für den Domorganisten Engel kein anderer als Ladegast in Frage. Aus einer Reparatur für 4.500 Taler wurde allerdings ein Neubau für 6.258 Taler. Unter Beibehaltung des Gehäuses der alten Orgel sowie von 26 ihrer Register, die, mit Ausnahme der Schalmey und des Stahlspiels, später ebenfalls durch neue ersetzt wurden, stellte Ladegast ein Werk mit 81 Registern auf 4 Manualen und Pedal auf, über das bereits während des Baus gesagt wurde, „daß dieses Orgelwerk einen neuen Abschnitt in der Orgelbaukunst bezeichne, indem hier Dinge erreicht worden sind, die bisher an keiner anderen Orgel vorkommen“. Die Einweihung fand am 26. September 1855 statt. Diese im damaligen Deutschland größte Orgel brachte Ladegast viel Anerkennung und Ruhm und stellte ihn aus der Reihe kleinerer Orgelbauer heraus auf eine höhere Stufe. Das Werk wurde durch eine Reihe namhafter Intellektueller bewundert und inspirierte zum Beispiel Franz Liszt zu einigen seiner großen Orgelwerke. Dieser arbeitete sein, ursprünglich für ein von ihm konstruiertes Harmonium mit Pedal komponiertes, umfangreiches Werk "Ad nos, ad salutarem undam" in eine Fassung eigens für die Aufführung auf der neuen Merseburger Domorgel um. Sein Schüler Alexander Winterberger spielte es in Liszt´s Anwesenheit als Uraufführung zur Orgelweihe.

Bis zu seinem nächsten großen Auftrag, der Orgel für die Leipziger Nikolaikirche (IV/84), die 1862 als damals größte Orgel Sachsens vollendet wurde, entstanden etwa 16 Instrumente, darunter die erste dreimanualige Orgel für die Landesschule Pforta (Schulpforta) bei Naumburg (1857, 34 Register). Das Werk wurde in den 1960er-Jahren abgetragen und auf dem Dachboden eingelagert, bis es irgendwann wesentlicher Teile beraubt wurde. Allerdings gibt es in der Aula der Landesschule noch eine kleine Ladegast-Orgel von 1884 mit 11 Registern. 2005 wurde diese kleine Orgel durch die Orgelbau-Werkstatt Rösel & Hercher instand gesetzt. Zwei Orgeln gingen über die Region hinaus nach Ostpreußen (Memel, 1858, II/44) und Niederschlesien (Görkau, 1859, II/13).

1864 baute Ladegast im Auftrag des Magistrats der Stadt Weißenfels für die Stadtkirche St. Marien seine zweite dreimanualige Orgel (41 Register), die heute sein ältestes erhaltenes dreimanualiges Werk ist. David Hermann Engel und der Königliche Musikdirektor Ernst Hentschel sahen in ihr Ladegasts „Meisterwerk“. Ebenfalls 1864 wurde die dritte dreimanualige Orgel Ladegasts, ein Werk mit 39 Registern, für die Schloßkirche zu Wittenberg im historischen Gehäuse von J. E. Hübner (1767) fertiggestellt. 1892 bekam diese ein neues neugotisches Gehäuse und wurde mit einer Barkermaschine ergänzt.

Neue Aufträge für große Instrumente verlangten eine größere Werkstatt. So beantragte Ladegast 1865 eine Genehmigung für den Bau einer neuen Werkstatt in der Naumburger Straße. Somit wurde ein Raum geschaffen, in dem später sogar die Orgel für den Schweriner Dom Platz fand. Solch eine Aufbauhalle ermöglichte die Entlastung einzelner Fertigungsstätten wie die Pfeifenmacherei und Windladenwerkstätten und erlaubte einen gleichzeitigen Bau mehrerer Instrumente. Außerdem ließ die Aufstellungsmöglichkeit zu, eine Vorintonation einer neuen Orgel durchzuführen, die Traktur auf ihre Tauglichkeit zu prüfen und eventuelle Mängel bereits in der Werkstatt zu beseitigen. Ferner führte dies zur Herauskristallisierung einzelner beruflicher Spezialbereiche mit eigens für diesen Zweck geschultem Personal wie Zinnarbeiter, Pfeifen- oder Windladenmacher u. ä.

Diese Praxis setzt sich bei den mitteldeutschen Orgelbaufirmen erst in den 1880er- und 1890er-Jahren mit der Steigerung der Produktion und des Exportes allgemein durch. So bekam die 1808 gegründete Orgelbaufirma Jehmlich ihre große Aufbauhalle erst 1897. Die ebenfalls traditionsreiche, 1872 gegründete sächsische Orgelbaufirma Eule errichtete ihre Halle 1888. Man kann also Friedrich Ladegast durchaus als einen progressiv denkenden Orgelbauer seiner Zeit, der sich den Zügen der Industrialisierung nicht gänzlich verschloss, bezeichnen. Leider wurde die Werkstatt 1979 vollständig abgerissen.

In der Zeit zwischen 1864 und 1871 verließen die Werkstatt circa 25 neue Orgeln, drei davon gingen ins Baltikum, eine nach Moskau (op. 50, 1868) und zwei in die Pfalz. Weitere Instrumente wurden umgebaut oder repariert.

Das Jahr 1871 hatte für Ladegast bahnbrechende Bedeutung, das ihn endgültig in die Reihe der international bedeutenden Orgelbauer setzte. In diesem Jahr wurde sein Werk mit 84 Stimmen im Dom zu Schwerin vollendet. Der Bau kostete 11.000 Taler, dauerte drei Jahre und wurde am 6. September 1871 fertiggestellt. In diesem Instrument verwendete Ladegast alles, was ihn an technischen Neuerungen und Erkenntnissen jener Zeit überzeugt hatte. Außer der bereits erprobten Barkermaschine, der in Abteilungen geteilten Schleifladen und der strahlenförmigen Winkel- und Wellentraktur baute er zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Orgelbaus in eine Orgel das pneumatisch gesteuerte Crescendo ein. Mit diesen Neuerungen, die eigentlich erst durch die Einführung der Röhrenpneumatik zum Standard wurden, schritt er der Zeit voraus und setzte damit unlöschbare Zeichen in der deutschen Orgelbaugeschichte.

 

Am 10. November 1871 erhielt Ladegast für den Orgelbau von Schwerin das durch den Herzog von Mecklenburg-Schwerin verliehene Verdienstkreuz in Gold – den Hausorden der Wendischen Krone. Das 1872 für die St. Jakobskirche in Köthen erbaute Instrument ist bis heute die größte Orgel in Anhalt.

1872 erhielt er den Auftrag, die Orgel für den Großen Saal des Wiener Musikvereins zu bauen. Ihr Gehäuse wurde vom Architekt Theophil von Hansen entworfen. Die Orgel hatte 52 Register, verteilt auf drei Manuale und Pedal, wobei er mechanische Schleifladen für die Manualwerke und Kegelladen für das Pedalwerk vorsah. Anton Bruckner wirkte beim eröffnenden Konzert an dieser Orgel mit. 1907 wurde diese Orgel allerdings durch ein neues Instrument ersetzt.

 

Der generelle Wandel vom Handwerksbetrieb zur Fabrik als Hauptmerkmal der industriellen Entwicklung, ausgelöst durch die Erfindung der Dampfmaschine, brachte auch im Orgelbau tiefgreifende Veränderungen hervor. Das mit der industriellen Revolution verbundene Wachstum der Städte verlangte nach neuen Kirchen und Orgeln. Außerdem wurden viele als nicht mehr zeitgemäß empfundene Instrumente ersetzt. Diesen erhöhten Bedarf konnte die traditionelle handwerkliche Fertigung nicht mehr im vollen Umfang befriedigen. Die existentielle Sicherung vieler Betriebe hing nicht mehr nur von der Qualität ihrer Arbeit, sondern zunehmend von ihrer Fähigkeit ab, die Produktionsmenge zu steigern und die Preise niedrig zu halten. Diesen enormen Anforderungen waren nur größere Unternehmen in der Lage zu entsprechen.

Um 1840 wurde durch die Firma E. F. Walcker & Cie., Ludwigsburg, die erste Kegelladen-Orgel erbaut. Dieses neue Windladensystem führte wie keine andere Erfindung im Orgelbau zu Spaltungen und Streit. Von einigen begeistert aufgenommen, von anderen verpönt, zeichnete sie den Weg des Orgelbaus jener Zeit auf. Keine namhafte Orgelwerkstatt kam an der Kegellade vorbei. Während einige Firmen wie Walcker und Sauer eine vollständige Umstellung auf dieses Windladensystem vollzogen, kehrten andere nach einigen Versuchen mit der Kegellade zur Schleiflade zurück oder benutzten beide Systeme gleichzeitig. Zu Letzteren gehörte auch die Werkstatt Ladegasts. Er selbst äußert sich zum Verwenden beider Systeme so: „Ich wende faktisch alle Systeme an, mitunter in einer Orgel verschiedene, jedes da, wo es mir passend erscheint.“

In der Tat findet man bei ihm in den siebziger und achtziger Jahren sowohl reine Schleifladenorgeln (z. B. in der Pfarrkirche zu Posen, III/43, 1876), reine Kegelladenorgeln (z. B. in der St.-Nikolai-Kirche in Spandau, III/45, 1880) als auch Orgeln mit einem gemischten Windladensystem (z. B. St.-Andreas-Kirche zu Rudolstadt, III/33, 1882). Dabei wurden sowohl Orgeln mit Schleifladen in den Manualen und Kegellade im Pedal, als auch umgekehrt gebaut. Die Letztere Kombination wird von Ladegast in seiner späteren Schaffensperiode bevorzugt. Trotzdem bleibt er sein Leben lang überzeugter Anhänger der Schleiflade. Am 13. Januar 1880 richtet er an den damaligen Generalsekretär der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde, Leopold Alexander Zellner, die schon sprichwörtlich gewordenen Zeilen:

„[…] Von den im vergangenen Jahre gelieferten Werken waren zwei mit Kegelladen. In vieler Beziehung sind dieselben leichter herzustellen als Schleifladen (Doch ganz unter der Hand gesagt!) Das Schleifladensystem wird von den Kegeln nicht verdrängt werden. Da jedoch fast alles Kegeltoll ist, so hilfts nichts, man muß – mit heulen!“

Dass der Kammerton A bis 1885 nicht verbindlich festgelegt war, nutzte Ladegast, indem er eine Frequenz von 446 Hertz ansetzte. Dadurch konnten kürzere Pfeifen verwendet und somit Material gespart werden, was ihm wirtschaftlich zugute kam.

Erst Ende der 1880er-Jahre wandte sich die Werkstatt intensiver der Pneumatik zu. Da jedoch spätestens 1890 fast alle namhaften Orgelbaufirmen vollständig zum Bau der Röhrenpneumatik übergingen und bereits über eigene ausgereifte Systeme verfügten, blieb die traditionelle Werkstatt aus Weißenfels in der harten Konkurrenz auf der Strecke. Nach und nach wurde das einst berühmte Unternehmen vom Markt verdrängt. Die Großaufträge blieben anderen Firmen, die nun die als modern geltenden Orgeln bauten, vorbehalten.

 

Bei der Vergabe des Orgelneubaus für das neugebaute Gewandhaus in Leipzig erlitt die Firma 1884 ihre erste große Niederlage gegen die Firma Walcker. Die Frankfurter Orgelbaufirma Sauer machte ihm weitere Aufträge in der Stadt Leipzig, die bisher zu „seinem Territorium“ gehörte, streitig. Die großen Bauten für die Petrikirche (1886, III/60) und die Thomaskirche (1889, III/63) wurden Sauer zugesprochen. Ob diese Entwicklung allein auf angebliche Intrigen, von denen Ladegast oftmals sprach, zurückzuführen ist, bleibt Spekulation.

Eng verbunden mit der technischen Weiterentwicklung im Orgelbau war auch die Wandlung der Klangästhetik der Orgel zum spätromantischen orchestralen Stil. Bedingt durch die Klangvorstellungen Ladegasts, welche zu Anfang der 1890er Jahre als zu geradlinig und veraltet galten, waren seine Werke auch in dieser Hinsicht zunehmend nicht mehr konkurrenzfähig.

Groß ist die Zahl der Orgelbauer, die bei Ladegast lernten und arbeiteten. Hierzu gehören:

  • Carl Bernecker (1844–?), Orgelbauer in Sachsen
  • Leopold Breinbauer (1859–1920), Orgelbauer in Ottensheim bei Linz
  • Franz Eggert (1849–1911), Orgelbauer in Paderborn
  • Gustav Heinze (1874–1949), Orgelbauer in Sorau und Weißenfels
  • Albert Hollenbach (1850–1904), Orgelbauer in Neuruppin, Brandenburg
  • Franz Emil Keller (1843–1925), Orgelbauer in Ostrau bei Döbeln, Sachsen
  • Johann Franz Anton Kiene II (1845–1908), Orgelbauer in Waldkirch
  • Ernst Klassmeier (1840–1926), Orgelbauer in Kirchheide bei Lemgo
  • Hermann Kopp (1837–1892), Orgelbauer in Apolda
  • Eugen Link (1855–1940), Orgelbauer in Giengen a. d. Brenz.
  • Friedrich Albert Mehmel (1827–1888), Orgelbauer in Stralsund und Wismar
  • Gustav Normann (1821–1893), estnischer Orgelbauer
  • Theodor Rühlmann († 1910), Orgelbauer in Zörbig
  • Wilhelm Rühlmann d. Ä. (1842–1922), Orgelbauer in Zörbig
  • Albert Späth (1866–1948), Orgelbauer in Ennetach-Mengen

Nach dem Tod seiner Frau 1892 zog sich Friedrich Ladegast mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück. An der Leitung der Firma bis dahin noch beteiligt, übergab er 1898 das Zepter endgültig seinem Sohn Oskar Ladegast (* 26. September 1858; † 4. Januar 1944).

Nach einem Schlaganfall wurde Friedrich Ladegast von seiner Tochter Elisabeth liebevoll gepflegt. Er starb am 30. Juni 1905 in ihren Armen. Seine letzten Worte lauteten: „Helft mir doch, helft mir doch!“ Der Tod des Meisters wurde in der Öffentlichkeit mit großem Respekt zur Kenntnis genommen. Bereits am 3. August 1905 erschien im Weißenfelser Tagesblatt folgende Mitteilung des Stadtmagistrats: „Einer Ehrung des Altmeisters der Orgelbaukunst Friedrich Ladegast, der vor kurzem gestorben ist, hat der Magistrat dadurch vollzogen, daß er der Verbindungsstraße zwischen der Beuditz- und Gustav-Adolfstraße den Namen ‚Ladegaststraße‘ beigelegt hat.“

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